Wenn Kinder, Jugendliche oder Erwachsene massive Probleme im räumlich-konstruktiven Bereich haben (Abzeichnen, Wege erklären, Bauen…) besteht der Verdacht auf eine räumlich-konstruktive oder auch visuokonstruktive Störung, diese gehört zu den cerebralen visuellen Informationsverarbeitungsstörungen, kurz CVI (World Health Organization 2013, zitiert nach BMFB 2015) und tritt häufig gemeinsam mit einer Dyskalkulie auf. Sie Störung hat im ICD-10 keinen eigenen Code, sondern wird unter F88 („andere Entwicklungsstörungen“) subsumiert. Dieser Beitrag beschreibt die räumlich-konstruktive Störung, da sie oft fehlerhaft mit einer Dyskalkulie befundet wird und weil das Wissen über diese Störung viele Defizite erklären kann.
Störungen der visuellen Raumorientierung werden untergliedert in räumlich-perzeptive, -kognitive, – konstruktive und -topografische Störungen. Bei räumlich-perzeptiven Störungen können oftmals die Hauptraumachsen (Vertikale und Horizontale) nicht richtig eingeschätzt und die Position bzw. Entfernungen eines Objektes im Raum nicht richtig wahrgenommen werden. Formen und Winkel sowie Richtungen werden falsch eingeschätzt. Räumlich-kognitive Störungen betreffen die mentale Veränderung von visuellen Reizen wie z.B. die mentale Rotation. Zu räumlich-konstruktiven Störungen zählen Schwierigkeiten in der manuellen Veränderung von Gegenständen unter visueller und taktiler Kontrolle, ohne dass die Schwierigkeiten maßgeblich auf motorische oder sensorische Störungen zurückzuführen sind. Als räumlich-topografische Störungen werden Störungen in der realen und vorgestellten Orientierung und Fortbewegung im dreidimensionalen Raum bezeichnet (Kerkhoff 2002). Zu den Störungen der visuellen Aufmerksamkeit zählt die Vernachlässigung (Neglect) mit Einschränkungen in Such- und Explorationsbewegungen auf eine Seite des Raumes, des eigenen Körpers und auch einzelner Objekte (Karnath 2012).
Visuokonstruktive Fähigkeiten im Allgemeinen sind die Fähigkeiten, lokale Elemente zu einem zusammenhängenden Objekt zusammenfügen zu können, also die Kompetenzen, die man zum Schreiben, Zeichnen und Konstruieren benötigt. Liegt eine Störung der visuokonstruktiven Fähigkeiten vor, können diese Handlungen nicht mehr oder nur mehr unzureichend ausgeführt werden. Dieses Defizit kann mit oder ohne einer visuell-räumlichen Störung auftreten und muss von einer Störung der Planungsfähigkeit abgegrenzt werden (Freie Universität Berlin, o.A). Über die genauen Zahlen der Kinder, die von CVI betroffen sind, gibt es nur wenige Angaben. Als Ursachen für CVI werden anlagebedingte Störungen und Schädigungen des Gehirns angeführt. Nur in seltenen Fällen kann keine genaue Ursache gefunden werden.
Die klassische Definition für die visuokonstruktive Fähigkeit wäre: „Alle Tätigkeiten, bei denen lokale Elemente zu einem kohärenten Objekt zusammengefügt werden müssen, also die Fähigkeit zum Zeichnen und Bauen“. Die modifizierte Definition der Störung dazu ist: „Konstruktive Defizite, die mit oder ohne assoziierte räumlich–perzeptive Störungen auftreten können.“ (Freie Universität Berlin, S. 2).